Die Preise, die heimische Bauern für ihre Produkte bekommen, sind im Sinkflug! „Niedrige Erlöse bei gleichzeitig hohen Produktionskosten und ständig neuen und noch höheren Umwelt- und Tierwohl-Auflagen, das geht sich nicht aus“, schlägt Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Titschenbacher Alarm und fordert ein Zukunftspaket „Pro Land- und Forstwirtschaft“
Kostenlawine überrollt Landwirtschaft
Nach einem kurzen Aufatmen im Vorjahr sind laut der Landwirtschaftskammer Steiermark seit Jahresbeginn die Agrarpreise im Sinkflug, während sich die Produktionskosten für die Bäuer:innen seit dem Vorjahr in lichten Höhen festgesetzt haben. Das hat folgenschwere Auswirkungen für die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe. Vor allem Milchbauern, Mutterkuhhalter mit ihren hohen Tierwohlstandards, Acker- und Getreidebauern, Forstwirte und Obstbauern stöhnen unter den steigenden Produktionskosten.

„Die Alarmglocken schrillen. Die Bäuerinnen und Bauern können die hohen Kosten durch die zu niedrigen Erlöse nicht mehr stemmen. Die Auswirkungen sind dramatisch. Für die notwendige und deutlich spürbare Trendumkehr sind Marktpartner und Politik dringendst gefordert“, schlägt Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Titschenbacher Alarm und fordert ein Zukunftspaket „Pro Land- und Forstwirtschaft“.
„Das geht sich nicht aus!“
Im Sinkflug befinden sich laut den Agrarexperten die Erzeugerpreise für Milch. Seit Jahresbeginn sind sie bereits neunmal in Serie gesunken und liegen im September bei mageren 45 Cent für einen Liter, der im Geschäft das Dreifache und mehr kostet. Die Getreidepreise für die Bauern sind um mehr als 60 Prozent und die Holzpreise um rund 30 Prozent zurückgegangen. Den besonders auf Tierwohl ausgerichteten Mutterkuhbetrieben geht mit Stundenlöhnen von unvorstellbaren 5,40 Euro wörtlich die Luft zum Atmen aus – ein Betrag der nicht einmal einem Drittel des Stundenlohns eines Facharbeiters entspricht. Hingegen sind die Produktionskosten konstant hoch: Bau-, Maschinen-, Betriebsmittel- sowie Instandhaltungskosten sind gegenüber 2021 jenseits der 80 Prozent gestiegen und verharren in lichten Höhen. „Das geht sich einfach nicht mehr aus!“, warnt Titschenbacher.
Hohe Umwelt- und Tierwohlleistungen
Ständig neue marketinggetriebene Vorschriften sowie das permanente Hinaufschrauben von bisher schon hohen Umwelt- und Tierwohlauflagen durch EU, Handel und NGOs honoriert der Markt leider nicht. „Das macht den Bauern das Leben schwer, weil durch immer neue und sich ständig ändernde Auflagen erhebliche finanzielle Investitionen erfolgen müssen. Letztlich bleiben die Bauern jedoch auf den so entstehenden Zusatzkosten sitzen. In voller Härte trifft das die Mutterkuhhalter und Rinder- sowie Ackerbauern“, rechnet Titschenbacher vor.
Aufgrund eines indiskutablen Stundenlohn von 5,40 Euro ist die Zahl der Mutterkühe in den vergangenen Jahren um 27 Prozent von rund 49.000 auf aktuell 35.800 zurückgegangen. Drastisch sei auch die Lage der Ackerbauern: Sie stellen ihr Getreide und ihren Mais unter besonders hohen Umweltauflagen her, während gleichzeitig unsere Märkte mit Billigstgetreide aus Russland und der Ukraine überschwemmt werden, die nur geringe Umwelt- und Biodiversitätsvorschriften haben.
Gewinne bleiben woanders hängen
Bauern sind keine Inflationstreiber! Hohe Futter-, Betriebsmittel-, Bau- und Instandhaltungskosten bei niedrigen Erzeugermilchpreisen belasten auch die Milchbauern stark. „Der Anteil der Landwirtschaft an den Endverbraucherpreisen ist zu gering, die Gewinne bleiben woanders hängen. Die Landwirtschaft braucht einen größeren, kostengerechten Anteil innerhalb der Produktionskette“, unterstreicht Titschenbacher.
Nur etwa ein Drittel (August: 33,7 Prozent) vom Verbraucherpreis von einem Liter Milch oder 46,5 Cent bleiben der Landwirtschaft für die Herstellung der Milch sowie für besondere Tierwohlmaßnahmen bei Milchkühen, dabei wären zumindest 53 Cent (38,5 Prozent) erforderlich. Für Weizen, der in einer Semmel enthalten ist, erhält der Bauernhof gerade einmal 1,3 Cent, das sind karge 3,9 Prozent vom Netto-Semmelpreis von 33,6 Cent.
„Heimische Landwirtschaft stärken!“
Ein unnötiger Neuaufbau von landwirtschaftlichen Produktionsflächen im großen Stil durch internationale Konzerne unterstützt mit EU-Geldern verschärft die dramatische Lage der heimischen Landwirtschaft zusätzlich. „Unverständlicherweise werden in Billigstlohnländern Süd- und Osteuropas Mega-Obstanlagen errichtet, obwohl EU-weit ohnehin zu viele Äpfel auf dem Markt sind. Solche offensichtlichen Produktionsverlagerungen in europäische Billigstlohnländer sind ein No-Go, die EU-Wirtschaftshilfen dafür ohne Wenn und Aber einzustellen“, verlangt Kammerdirektor Werner Brugner einen klaren Kurswechsel und tritt für eine Stärkung der heimischen Landwirtschaft ein.

Zukunftspaket „Pro Land- und Forstwirtschaft“
„Die Weichen sind eindeutig pro Landwirtschaft zu stellen, damit unser Land nicht verletzbar und beim Essen und Trinken nicht wie andere Wirtschaftsbereiche vom Ausland abhängig wird. Wir wollen die Bevölkerung sicher mit leistbaren Lebensmitteln versorgen“, verlangt Titschenbacher das Zukunftspaket „Pro Landwirtschaft“.
1) Augenmaß! statt ständig neuer und permanent höherer Auflagen. Einen Mercedes bestellen und einen Dacia bezahlen, das geht nicht. Ständig neue und höhere Auflagen sind am Markt nicht zu realisieren, verteuern und verbürokratisieren die Produktion unnötig.
2) Green-Deal der EU: Vernunft muss einkehren! Die Bauern brauchen beim Green-Deal der EU faktenbasierte landwirtschaftsfreundliche Signale, um die Land- und Forstwirtschaft zu stärken. Ständig neue Auflagen und noch höhere Standards, die vom Markt gar nicht honoriert werden, führen in die Sackgasse. Angesprochen sind insbesondere die EU-Vorhaben zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR), die Wiederherstellung der Natur oder flächige Außernutzungsstellungen von Wäldern.
3) Transparenz bei der Preisbildung! Einen dauerhaft höheren und betriebswirtschaftlich vertretbaren Anteil in der Wertschöpfungskette. Das System der Preisbildung ist zu durchleuchten, die tatsächlichen Preistreiber müssen ermittelt und darauf aufbauend zielgerichtete Schritte gesetzt werden.
4) Herkunftskennzeichnung. Die Herkunftskennzeichnung von Milch, Fleisch und Eiern muss verpflichtend auf die Gastronomie ausgeweitet werden. Auch bei verarbeiteten Lebensmitteln im Supermarkt mit Milch-, Fleisch- und Eieranteil, muss die Herkunftangeabe gesetzlich verankert werden.
5) Neue Standbeine Klimaanpassung: Heben der vorhandenen land- und forstwirtschaftlichen Potenziale zur Herstellung von Biowärme, grünem Strom und Biotreibstoffen. Mittelfristig können bäuerliche Heizwerk- und Nahwärmeversorger insgesamt 360.000 steirische Haushalte mit Biowärme versorgen. Damit könnten alle Öl- und Gasheizungen in der Steiermark ersetzt werden. Ausgebaut kann auch die Produktion von grünem Strom durch Photovoltaik-Anlagen mit landwirtschaftlicher Doppelnutzung, auf Dächern landwirtschaftlicher Gebäude sowie auf steilen Hängen im Berggebiet werden. Dringend erforderlich ist das Erneuerbare Gase-Gesetz, damit unsere Biogasanlagen grünes Gas für die Energiewende bereitstellen können.
6) Holzbauoffensive. In Zeiten einer schwachen Konjunktur ist die öffentliche Hand gefordert, mit einer Holzbauoffensive leistbaren und vor allem nachhaltigen Wohnraum für junge Familien zu schaffen. Anzusetzen ist vor allem auch bei der Revitalisierug von leerstehenden Gebäuden sowie im Städtebau durch Nachverdichtung.
7) Wertanpassung der EU-Direktzahlungen und Leistungsabgeltungen. Durch die hohe Inflation ist der Wert dieser Zahlungen allein seit dem Jahr 2021 um 17 Prozent geschrumpft, eine entsprechende Wertanpassung ist dringend erforderlich.
8) Stundenlöhne, die die Landwirtschaft für die Jugend attraktiv machen. Die Landwirtschaft darf bei den Stundenlöhnen nicht abgehängt werden. Diese müssen der bäuerlichen Jugend Perspektiven bieten. Die Sogwirkung anderer Wirtschaftsbereiche nach Arbeitskräften aus der Land- und Forstwirtschaft ist ohnehin schon enorm.
9) Klares Nein zu Erbschafts- und Vermögenssteuern. Jede zusätzliche Besteuerung von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen würde eine unzumutbare Erschwernis für Betriebsübergaben und Betriebsführung bedeuten. Grund und Boden sind für Bäuerinnen und Bauern ja kein Luxusgut oder eine Wertanlage, sondern vielmehr unverzichtbare Existenz- und Produktionsgrundlage, die bereits jetzt Steuern und Abgaben unterliegt. Die land- und forstwirtschaftlichen Einkommen sind deutlich unterdurchschnittlich, jede zusätzliche Belastung ist daher inakzeptabel