Grüne fordern Projektstopp für Klärschlammverwertungsanlage
- la6098
- 10. Jan. 2024
- 4 Min. Lesezeit

Präsident Univ.-Prof. Johannes Gepp, GR Eva Schantl, LAbg. Lambert Schönleitner und GR Wolfgang Walther.
Nicht zur Ruhe kommen die politischen und juristischen Debatten rund um eine südsteirische Klärschlammverwertungsanlage in Straß in Steiermark. Für die steirischen Grünen werden vor dem Hintergrund eines Rechnungshofberichtes und eines Feststellungsbescheides immer neue Fragen aufgeworfen.
In einem Pressegespräch in Leibnitz erhoben nun LAbg. Lambert Schönleitner, Präsident Univ.-Prof. Johannes Gepp (Naturschutzbund Steiermark) sowie die Strasser Gemeinderäte Eva Schantl und Wolfgang Walther weitere Forderungen an die Verantwortungsträger. Sie verlangen einen Projektstopp und die wirtschaftliche Neubewertung des Projekts und befürchten, dass der Bevölkerung der Mitgliedsgemeinden des Abwasserverbandes Leibnitzerfeld Süd enorme Belastungen drohen.
Jüngste Entwicklungen
Bei der Pressekonferenz war berichtet worden, dass ein spezialisiertes Privatunternehmen den Standort zu einer Großklärschlammverbrennungsanlage ausbauen möchte, in der Klärschlamm aus der gesamten Steiermark verbrannt werden soll. Angeblich will man über 55.000 Tonnen Klärschlamm künftig am Standort im Gemeindegebiet von Straß in Steiermark einer Pyrolyse unterziehen.
Im Lichte der jüngsten Entwicklungen sieht Kontrollsprecher LAbg. Schönleitner (Die Grünen Steiermark) das Problem noch lange nicht bereinigt. Er spricht in Leibnitz vor der Presse von grober Fahrlässigkeit und finanziellen Problemen, weil ein Schuldenberg von rund "20 Millionen Euro in der Luft hänge!". Durch die geplante Änderung der thermischen Klärschlammverwertung seitens einer neuen Gesellschaft erreiche, so LAbg. Schönleitner, die neue Anlage "eine andere Dimension", die viele Rechtsfragen offen lasse. Die Grünen fordern aufgrund der vermeintlich bereits erloschenen ursprünglichen Anlagengenehmigungen, einer fehlenden Umweltverträglichkeitsprüfung, der drohenden Belastung für AnrainerInnen und eines fehlenden Business-Planes für die Gemeinden einen sofortigen Stopp des Projekts. "Sollte es zu einer Weiterführung der Anlage kommen, wird dies ohne Umweltverträglichkeitsprüfung ohnehin nicht möglich sein!", meint der Kontrollsprecher der Grünen.
"Wohnortnaher Standort überhaupt geeignet?"
"Wir müssen uns ernsthaft fragen, ob dieser wohnortnahe Standort überhaupt geeignet ist“, so LAbg. Schönleitner, der einen sofortigen Projektstopp verlangt. „Aus meiner Sicht ist davon auszugehen, dass der Anlagen-Betriebsbescheid aus dem Jahr 2015 ohnehin längst keine Gültigkeit mehr hat und ein neues Genehmigungsverfahren nach dem UVP-Recht zwingend notwendig ist. Das bestätigen uns mehrere RechtsexpertInnen“, so der Kontrollsprecher. Die Grünen würden, so LAbg. Schönleitner, jedenfalls Beschwerde gegen den UVP-Feststellungsbescheid einbringen. Denn die Anlage liege in einem Hochwasserschutzgebiet, in einem sensiblen Wildtierkorridor und in der Nähe eines Natura 2000-Gebietes, was zusätzliche ökologische Bedenken aufwerfe. Zudem leide die Region bereits unter der Belastung durch zahlreiche andere Abfallverarbeitungsbetriebe. Eine Anlage in der geplanten Dimension würde die Lebensqualität der Bevölkerung zusätzlich massiv beeinträchtigen.
Große Befürchtungen
"Es sollen von zwei Gewerbebetrieben insgesamt rund 55.000 Tonnen Klärschlamm im Jahr verarbeitet werden. Uns wurde bereits früher eine Goldgrube in Aussicht gestellt, weil man den Dünger der Klärschlammverwertungsanlage und das Naturgas verkaufen könne. Doch bis dato war kein Jahr positiv verlaufen! Wie die rund 20 Mio. Euro Schulden abgebaut werden sollen ist für uns nicht beantwortet!", hegt GR Eva Schantl ("Die Grünen") wegen der Dimensionen der Anlage große Befürchtungen massiver Beeinträchtigungen der Lebensqualität der Bevölkerung.
„Wir sind ja nicht prinzipiell gegen eine Anlage, aber wir meinen sie stehe hier eben am falschen Ort. Versprechungen, Klärschlamm zu Gold zu machen, können teuer werden. Die Bevölkerung darf nicht für ein weiteres Desaster bezahlen. Wir sehen hier eine klare Verantwortungslosigkeit der Entscheidungsträger. Eine Anlage dieser Größenordnung ohne aktuelle Umweltverträglichkeitsprüfung zu betreiben, ist ein direkter Angriff auf unsere Umwelt und die Lebensqualität der BürgerInnen,“ meint dazu auch GR Wolfgang Walther ("Die Grünen").
Vorbehalte des Naturschutzbund-Präsidenten
Eine Aufklärung verlangt Univ.-Prof. Dr. Johannes Gepp. „Dass bei einem Projekt dieser Größe und Tragweite auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichtet wird, ist nicht nur rechtlich fragwürdig. Wenn die Umwelt im großen Rahmen gefährdet wird, können wir nicht schweigen! Die Situation in Straß ist ein alarmierendes Beispiel dafür, wie wichtig unser Einsatz für den Umweltschutz ist. Es hat hier eine Umweltverträglichkeitsprüfung statt zu finden!“, betont Gepp in seiner Eigenschaft als Präsident des Naturschutzbundes Steiermark.
Der Steiermark attestiert Gepp bei der Beurteilung einer Umweltverträglichkeitsprüfung "große Schwäche" und verweist auf die Fernwirkung einer so großen Anlage. "Die Anlage ist nur 60 Meter von einem Natura 2000 Gebiet, der Steirischen Grenzmur, entfernt. Nach der EU-Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebende Tiere und Pflanzen) ist hier ein eigenes Verfahren zu führen, bei dem Experten die Schutzgüter zu beurteilen haben. Außerdem wird in Österreich die EU-Regelung der Wildtierkorridore nicht angewandt und respektiert", führt Gepp kritisch ins Treffen und verweist darauf, dass der Naturschutzbund die Säumigkeit Österreichs in Brüssel anzuzeigen überlege.
Für Gepp spiele außerdem der Klärschlamm auf den Feldern eine große Rolle: "Wird der Boden mit Klärschlamm verseucht, ist er nicht mehr für eine Lebensmittelproduktion nutzbar. Und genau dafür ist die Umweltverträglichkeitsprüfung da!", meint Gepp. Vor zwei Jahren habe Österreich zudem die Teilnahme am "Grünen Band Europa" unterzeichnet. Darin verpflichte man sich, so Gepp weiter, einen Korridor von bis zu 50 Kilometern für die Natur offen zu halten und vor Emissionen zu schützen.
Wie geht es weiter?
LAbg. Schönleitner pocht im Zusammenhang mit dem Projekt in Straß in Steiermark auf die Aufsichtspflicht des Landes (Fachabteilungen 13 und 7 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung), vor allem, was das finanzielle Risiko für die beteiligten Gemeinden betreffe. "Es braucht hier eine offene Information der Gemeinden und für die Gemeinderäte, was das alles für sie und die Gemeinden bedeutet, wenn das Haftungsrisiko auf die Gemeinden übergeht. Das hat sich das Land anzuschauen und darüber zu informieren", verlangt der grüne Kontrollsprecher mit Vehemenz.
Man darf gespannt abwarten, welche Rechtsmittel in Zukunft noch in den schwierigen Rechtsangelegenheiten ergriffen werden.
Fotocredit: Heribert G. Kindermann, MA